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„Ich möchte leben“ | TOPICdigi

REIMEREI – Jänner 2025

„Ich möchte leben“

„Ich möchte leben. Schau, das Leben ist so bunt,“ schrieb das jüdische Mädchen Selma Meerbaum. Selma wurde nur 18 Jahre alt. 1942 starb sie in einem deutschen Arbeitslager entkräftet am Fleckfieber. Ihre Gedichte gehören zur Weltliteratur und berühren die Menschen noch heute.

Foto: mit KI/ChatGPT erstellt

Träume

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die süß sind wie junger Wein.
Ich träume, es fallen die Blüten von Bäumen
und hüllen und decken mich ein.

Und alle diese Blüten,
sie werden zu Küssen,
die heiß sind wie roter Wein
und traurig wie Falter, die wissen: sie müssen
verlöschen im sterbenden Schein.

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die schwer sind wie müder Sand.
Ich träume, es fallen von sterbenden Bäumen
die Blätter in meine Hand.

Und alle diese Blätter,
sie werden zu Händen,
die zärteln wie rollender Sand
und müd sind wie Falter, die wissen: sie enden
noch eh' sie ein Sonnenstrahl fand.

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die blau sind wie Sehnsuchtsweh.
Ich träume, es fallen von allen Bäumen
Flocken von klingendem Schnee.

Und all diese Flocken
sie werden zu Tränen.
Ich weinte sie heiß und wirr –
begreif meine Träume, Geliebter, sie sehnen
sich alle nur ewig nach dir.

Jetzt seid ihr dran!

Das Gedicht wurde im November 1941 geschrieben und erzählt von Selmas Träumen. Diese sind voller Sehnsucht und Hoffnung geprägt, aber auch von Angst und düsterer Vorahnung.

Lest das Gedicht gemeinsam durch und überlegt euch:

Welche Zeilen drücken Sehnsucht und Hoffnung aus?

Welche Zeilen drücken Angst oder düstere Vorahnung aus?

Berührende Gedichte

Selma Meerbaum (oft fälschlicherweise Selma Meerbaum-Eisinger genannt) war ein jüdisches Mädchen, das 1924 in Czernowitz geboren wurde. In diesem weltoffenen Städtchen, das heute in der Ukraine liegt, lebten unter anderem Deutsche, Rumän*innen, Ukrainer*innen und Pol*innen. Ungefähr ein Drittel der Einwohner*innen war jüdisch.

Schon als Jugendliche begann Selma, Gedichte zu schreiben. Sie war Teil einer jüdischen Jugendgruppe und verliebte sich in ihren Freund Leiser Fichmann. Doch als die Nationalsozialisten ihr Heimatgebiet besetzten, veränderte sich alles. Selma und ihre Familie wurden in ein Ghetto gesperrt und später in ein Arbeitslager gebracht. Dort mussten die Gefangenen harte Arbeit leisten, zum Beispiel beim Bau einer Schotterstraße. Selma starb im Dezember 1942 an Fleckfieber.

Selmas Gedichtbuch mit 57 Gedichten, das sie ihrem Freund Leiser widmete und „Blütenlese“ nannte, überlebte den Krieg. Es ist heute ein wertvolles Andenken an Selma Meerbaums kurzes, kreatives Leben.

Foto: mit KI/ChatGPT erstellt

Poem

(gekürzt)

Ich möchte leben.
Ich möchte lachen und Lasten heben
und möchte kämpfen und lieben und hassen
und möchte den Himmel mit Händen fassen
und möchte frei sein und atmen und schrein.
Ich will nicht sterben. Nein!
Nein.
Das Leben ist rot,
Das Leben ist mein.
Mein und dein.
Mein.

Warum brüllen die Kanonen?
Warum stirbt das Leben
für glitzernde Kronen?

Dort ist der Mond.
Er ist da.
Nah.
Ganz nah.
Ich muss warten.
Worauf?
Hauf um Hauf
sterben sie.
Stehn nie auf.
Nie und nie.
Ich will leben.
Bruder, du auch.
Atemhauch
geht von meinem und deinem Mund.
Das Leben ist bunt.
Du willst mich töten.
Weshalb?
Aus tausend Flöten
weint Wald.

Der Mond ist lichtes Silber im Blau.
Die Pappeln sind grau.
Und Wind braust mich an.
Die Straße ist hell.
Dann ...
Sie kommen dann
und würgen mich.
Mich und dich
tot.
Das Leben ist rot,
braust und lacht.
Über Nacht
bin ich
tot.

Ein Schatten von einem Baum
geistert über den Mond.
Man sieht ihn kaum.
Ein Baum.
Ein
Baum.
Ein Leben
kann Schatten werfen
über den
Mond.
Ein
Leben.
Hauf um Hauf
sterben sie.
Stehn nie auf.
Nie
und
nie.

Das Gedicht „Poem“ entstand im Juli 1941. Im Oktober des selben Jahres wurden Selma und ihre Familie, zusammen mit allen jüdischen Bewohner*innen, in ein abgeschlossenes Stadtviertel – ein Ghetto – gesperrt. Das Gedicht vermittelt Selmas Angst vor dem Krieg und der Verfolgung.

Das ungekürzte Gedicht kannst du dir hier anhören:
www.deutschelyrik.de

Überlegt gemeinsam!

o Im Gedicht kommt mehrmals ein Baum vor. Welche Bedeutungen könnte er haben?

o Normalerweise wirft der Mond den Schatten eines Baumes auf die Erde. Im Gedicht wirft das Leben den Schatten eines Baumes auf den Mond. Stell dir dieses Bild vor! Was könnte es bedeuten?

o Die Verszeilen werden immer kürzer. Die Aussagen werden immer drängender, als würden sie in Eile gesprochen. Warum?