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Wie politisch ist der ESC? | TOPICdigi

NEWS – Mai 2024

Wie politisch ist der ESC?

Spektakuläre Auftritte, schillernde Outfits, niveauloses Gedudel oder populäre Musik – über den Eurovision Song Contest (ESC) lässt sich bekanntlich gut streiten. Rund 600 Millionen Zuseher*innen weltweit schauen sich jährlich das Finale des Songcontests an, das heuer am 11. Mai in Malmö (Schweden) stattfindet.

Foto: zef art/Shutterstock.com

Autor: Stephan Scharinger 

Den Wettbewerb gibt es bereits seit 1956. Er war früher auch als „Grand Prix de la Chanson“ bekannt. 37 Länder nehmen heuer daran teil. Auch Österreich schickt mit Kaleen und ihrem Song „We Will Rave“ eine Kandidatin nach Schweden. Ein Interview mit Kaleen kannst du im Mai-TOPIC lesen.

Unter den weiteren Kandidaten sind nicht nur europäische Länder, sondern zum Beispiel auch Aserbaidschan, Israel und Australien. Das liegt daran, dass jedes Land, das Teil der EBU (European Broadcasting Union) ist, am Bewerb teilnehmen kann. Alle Länder der EBU und weitere Informationen dazu findest du übrigens auf der Website www.eurovision.de/laender/.

Israel überarbeitet Songtext

In den Regeln der EBU ist festgehalten: Der ESC ist eine unpolitische Veranstaltung. Alle teilnehmenden Teams müssen sicherstellen, dass der ESC in keinem Fall politisiert und/oder instrumentalisiert wird. Das bedeutet: Politische Texte, Ansagen oder Gesten sind eigentlich verboten. Im Vorfeld des heurigen Song Contests wurde heftig darüber diskutiert, ob einige Textzeilen im Beitrag von Israel zu politisch seien: Der Text wurde überarbeitet und auch der Titel des Songs wurde von „October Rain“ zu „Hurricane“ geändert, weil der Bezug zum Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 als zu politisch gewertet wurde.

Solche Vorkommnisse sind kein Einzelfall: Seit es den ESC gibt, seit Menschen aus unterschiedlichen Ländern zusammenkommen und den musikalischen Wettbewerb austragen, gibt es auch politische Diskussionen über diesen vermeintlich „unpolitischen“ Wettbewerb.

Was heißt ...?

instrumentalisieren: jemanden oder etwas für seine eigenen Ziele nutzen

Conchita Wurst, hier bei einem Auftritt in Polen zu sehen, gewann im Jahr 2014 für Österreich den Song Contest.
Conchita Wurst, hier bei einem Auftritt in Polen zu sehen, gewann im Jahr 2014 für Österreich den Song Contest.Foto: praszkiewicz/Shutterstock.com

ESC-Song startet Nelkenrevolution

Mit „E Depois do Adeus“ hat Paulo de Carvalho Portugal im Jahr 1974 beim Song Contest vertreten. Der Liedtext ist zwar unpolitisch, aber als am 24. April um 22.55 Uhr der Song im Radio lief, war er das geheime Startsignal für eine Militäroperation: Aufständische Soldaten beendeten eine langjährige Diktatur in Portugal. Das Volk jubelte den Befreiern zu und steckte ihnen rote Nelken in die Gewehre. Deshalb wird der Aufstand auch Nelkenrevolution genannt.

1978 übertrugen auch arabische Länder, darunter Jordanien, den ESC, doch beim Auftritt Israels wurde einfach Werbung eingespielt: Die arabischen Länder wollten ihrem militärischen Gegner keine Bühne bieten. Israel seinerseits war 1998 sehr bemüht, sich als modernes und offenes Land zu zeigen. Israel schickte die transgeschlechtliche Sängerin Dana International mit dem Song „Diva“ ins Rennen – und gewann. Viele konservative Israelis waren gegen diese Kandidatin, und in arabischen Ländern wurde der Song verboten. Seit damals entwickelte sich der ESC aber immer mehr zu einem Event, bei dem sich die queere Community offen zeigen kann. Davon zeugt auch der Sieg von Conchita Wurst für Österreich im Jahr 2014.

Was heißt ...?

Nelkenrevolution: ein friedlicher Militärputsch in Portugal im April 1974, der eine langjährige Diktatur beendete und den Weg für eine demokratische Regierung ebnete
trans*: So bezeichnen sich Personen, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren.
queer: So bezeichnen sich Personen, deren sexuelle oder geschlechtliche Identität nicht der klassischen „Frau-Mann-Ordnung“ entspricht.

Ganz besonders deutlich zeigt sich der politische Aspekt des ESC bei den Konflikten zwischen Russland und seinen Nachbarn. Nach dem russischen Krieg gegen Georgien (2008) schickte Georgien den Song „We Don’t Wanna Put In“ ins Rennen – und Russland protestierte dagegen scharf. Nach der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland sang die ukrainische Sängerin Jamala den Song „1944“, in dem es um die Zwangsumsiedelung der Krimtataren im Zweiten Weltkrieg ging. Sie gewann mit diesem Song den ESC im Jahr 2016. Jamala war im Anschluss an den ESC auch politisch tätig, musste aber nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine ins Ausland fliehen. Russland durfte übrigens nach Kriegsbeginn nicht mehr am ESC teilnehmen, so auch heuer nicht.

Du siehst: Trotz aller Bemühungen der EBU, den ESC möglichst unpolitisch zu gestalten, gelingt das kaum. Andererseits: Auch viele andere Lieder sind politisch, warum sollte es also gerade beim ESC anders sein? Vielleicht schaust du dir ja den heurigen Wettbewerb an und denkst über diese Frage nach. Auf jeden Fall aber: gute Unterhaltung!

Was heißt ...?

Annexion: gewaltsame und widerrechtliche Aneignung eines fremden Gebiets
Krimtataren: eine Volksgruppe, die auf der Krim lebte und lebt

Teste dein Wissen

Hast du den Text aufmerksam gelesen? Dann überprüfe dein Wissen: Hier geht es zum ESC-Quiz von TOPIC!

Jetzt bist du dran!

In diesem Text werden viele Länder genannt. Suche sie in deinem Atlas oder auf Google Maps und schau dir ihre Lage an:
Israel, Portugal, Georgien, Russland, Ukraine und die Halbinsel Krim, Aserbaidschan, Australien, Jordanien.

Video-Tipp

Du möchtest noch mehr über die politischen Aspekte des ESC wissen? In diesem Video der Tageszeitung „Der Standard“ erfährst du noch einiges über den Zusammenhang zwischen dem ESC und der Revolution in Portugal, über die gesellschaftliche Sichtbarkeit der queeren Community im ESC und über das schwierige Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine.