
NEWS – September/Oktober 2025
Typisch männlich?!
Wie uns frauenfeindliche und rückwärtsgewandte Influencer beeinflussen.

Autor: Stephan Scharinger
Vielleicht hast du schon einmal den Song „Männer“ vom deutschen Popmusiker Herbert Grönemeyer gehört? Das Lied ist bereits ziemlich alt – es stammt aus den 1980er-Jahren – und handelt von „typischen“ Männern. Im Songtext heißt es: „Männer haben Muskeln, Männer sind furchtbar stark“, und: „Männer weinen heimlich“, aber auch: „Männer brauchen viel Zärtlichkeit“.
Heute, über 40 Jahre nach dem Erscheinen dieses Liedes, sind sich viele Männer, vor allem junge Männer, ihrer Rolle überhaupt nicht sicher: Wie sollen sie sich verhalten? Wann ist man ein Mann? Wer auf TikTok oder YouTube Rat sucht, landet schnell bei Influencern oder Podcastern, die sehr einseitige und frauenfeindliche Meinungen verbreiten. Warum das gefährlich ist und was „toxische Männlichkeit“ bedeutet, erfährst du in diesem Text.
Überlegt zu zweit
Schaut euch den Auftritt von Herbert Grönemeyer aus dem Jahr 1984 an. Sprecht anschließend in der Gruppe darüber:
O Welche Vorstellungen von „typisch Mann“ kommen im Lied vor?
O Wie wirkt das Lied auf euch: Meint es die Aussagen ernst – oder übertreibt es bewusst?
Herbert Grönemeyer: Männer
Frauenhass online und offline
Manche Jungs suchen auf Social Media vielleicht nur nach Tipps, wie sie fitter werden können – und stoßen dabei schnell auf Influencer wie „Liver King“ Brian Johnson. Er zeigt nicht nur, wie man viele Muskeln bekommt. Er sagt seinen Followern auch, wie ein „echter Mann“ sein soll: nämlich vor allem dominant.
Oder sie landen bei Andrew Tate, einem ehemaligen Kickboxer. Er stellt sich selbst als „Alpha-Mann“ dar und behauptet, Männer seien Frauen überlegen. Tate redet oft schlecht über Frauen und sagt Dinge, die Gewalt verharmlosen. Obwohl er zeitweise auf Plattformen wie TikTok und Instagram gesperrt wurde und sogar Ermittlungen gegen ihn laufen (wegen Menschenhandel und sexueller Ausbeutung), wird er von vielen Burschen immer noch als Vorbild gesehen.
Aber warum ist das so? Studien zeigen: Vor allem junge Männer, die sich allein, unsicher oder unfair behandelt fühlen, suchen einfache Lösungen für ihre Probleme. Influencer wie Tate oder Johnson liefern einen vermeintlich schnellen Ausweg: Frauen abwerten und auf diese Weise Stärke erlangen.
Diese gefährliche Botschaft sorgt für mehr Frauenhass – online und im echten Leben. In Österreich hat laut Statistik Austria (2024) jede dritte Frau körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Und fast 4 von 10 Frauen berichten von seelischer Gewalt – also zum Beispiel Beschimpfungen, Einschüchterungen oder dem Verbot, Freund*innen zu treffen. Genau zu so einem Verhalten raten frauenfeindliche Influencer.

Wann ist ein Mann ein Mann?
Auch junge Österreicher folgen frauenfeindlichen Influencern. Eine Umfrage in der Steiermark (von der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus) hat ergeben, wie sich steirische Buben einen „echten Mann“ vorstellen: Er muss heterosexuell und stark sein, er verdient allein das Geld für seine Familie und er zeigt möglichst keine Gefühle – mit einer Ausnahme, nämlich Wut. Er muss sich täglich von Weiblichkeit und Homosexualität abgrenzen und darf keine weiche Seite zeigen.
Wir alle haben aber eine sensible, weiche Seite, und wir alle haben Gefühle. Jene Burschen, die dem problematischen Ideal von Männlichkeit anhängen, müssen Tag für Tag eine Rolle spielen. Das kann ganz schön anstrengend und belastend sein.
In den sozialen Medien findet man leider viel öfter solche altmodischen Männlichkeitsbilder als moderne, positive Vorbilder. Viele dieser „ultra-männlichen“ Influencer sagen zum Beispiel: Männer sollen nicht im Haushalt helfen oder sich um Kinder kümmern. Ihrer Meinung nach war früher alles besser – als der Mann arbeiten ging und die Frau zu Hause blieb. Doch das ist nicht nur unfair, sondern auch längst überholt.

Unsere Gesellschaft braucht neue Rollenbilder
Unsere Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Heute haben Frauen und Männer die gleichen Rechte und Pflichten – das nennt man Gleichberechtigung. Niemand soll benachteiligt werden, nur weil er ein bestimmtes Geschlecht hat.
In unserem Denken sind aber auch alte Stereotypen und Vorurteile vorhanden, was angeblich „typisch männlich“ oder „typisch weiblich“ sei. Frauenfeindliche Influencer nützen diese Vorurteile für ihre Botschaften aus. Viel mutiger ist es aber, den eigenen Weg zu gehen und neue Rollenbilder zu entwickeln: Wir alle können stark sein, dürfen aber auch Schwäche zeigen, ganz unabhängig von unserem Geschlecht.
Es gibt zum Glück auch Männer, die zeigen, dass Gleichberechtigung nichts mit Schwäche zu tun hat. Musiker Harry Styles etwa bricht mit klassischen Männlichkeitsklischees, indem er offen Gefühle zeigt und durch seinen Kleidungsstil beweist, dass Mode kein Geschlecht kennt.
In Projekten wie dem „Boys’ Day“, der heuer am 13. November 2025 stattfindet, werden Jungs ermutigt, neue und ungewohnte Dinge auszuprobieren. An diesem Aktionstag kannst du als Bursche Berufe kennenlernen, in denen bisher vor allem Frauen arbeiten – etwa in der Pflege, Kinderbetreuung oder Sozialarbeit. Außerdem gibt es Workshops, in denen du dich mit Rollenbildern auseinandersetzt. Dabei wirst du entdecken, dass Mitgefühl, Fürsorge und Respekt genauso zu einem modernen Männerbild gehören wie Selbstbewusstsein und Durchsetzungsfähigkeit. Mehr Infos unter www.boysday.at.
Diskussion in der Gruppe
Schaut euch unten das Video „Stereotype einfach erklärt“ (3:15 Minuten) an. Sprecht danach in der Gruppe über folgende Fragen:
O Was ist ein Stereotyp? Kennt ihr Beispiele?
O Was ist ein Vorurteil und warum gibt es sie?
O Habt ihr selbst schon mal erlebt, dass jemand „in eine Schublade gesteckt“ wurde?
Stereotype einfach erklärt
Andrew Tate – Vorwürfe und Einfluss
Schaut euch gemeinsam das Video über Andrew Tate an. Sprecht danach in der Klasse über folgende Fragen:
O Wer ist Andrew Tate? Was macht ihn bekannt?
O Welche Vorwürfe gibt es gegen ihn?
O Warum folgen ihm so viele junge Menschen? Was finden sie an ihm interessant?
O Welche Gefahr kann von solchen Influencern ausgehen? Wie beeinflussen sie Meinungen und Verhalten?